Worum geht's?

Ausgangspunkt der Arbeit – Religionsdialog "außer Haus"

Deutschland hat sich im Zuge von Arbeitsmigrationen und Flüchtlingsströmen zu einem Einwanderungsland entwickelt, in dem nicht nur Menschen mit unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Hintergründen, sondern auch mit unterschiedlichen religiösen Anschauungen und Traditionen sowie auch nicht-religiösen Überzeugungen zusammen leben. Daraus ergeben sich auf verschiedenen Ebenen Gelegenheitsstrukturen, aus denen wiederum gemeinsame Aktivitäten erwachsen können. Friedensgebete, gegenseitige Besuche in den religiösen Gemeinden bis hin zu Dialogkreisen, in denen man sich über die Anschauungen des jeweils anderen informiert und austauscht, sind mittlerweile „Klassiker“ der interreligiösen Begegnung. Abgesehen von medialen Großereignissen, bei denen hochrangige Vertreter der Religionen symbolisch zusammen auftraten, fanden solche Begegnungen allerdings häufig in Unkenntnis der breiten Öffentlichkeit, man möchte fast ‚im Verborgenen‘ sagen, statt.
Zwar sind heute noch immer die wenigsten Menschen in dieser Gesellschaft an solchen Aktivitäten beteiligt, dennoch sind (vor allem in westdeutschen Ballungsgebieten und Berlin) zunehmend interreligiöse Aktivitäten zu finden, die eine breiter werdende Bevölkerung erreichen und – das ist der zentrale Ausgangspunkt der Arbeit – auch außerhalb religiöser Räume veranstaltet werden.
In den letzten Jahrzehnten haben sich – sei es durch eine gewachsene öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Religion oder eine zunehmende Etablierung religiöser Migrantengemeinden (oder beides) – auch im politischen und kulturellen Raum interreligiöse Aktivitäten entwickelt. So kommt es, dass in Hamburg beispielsweise das Rathaus zu „Religionen und Dialog in der Stadt Hamburg“ einlädt, das Thalia-Theater die „Lange Nacht der Weltreligionen“ veranstaltet oder in Kooperation zwischen Stadt und Religionsvertretern ein „Garten der Religionen“ eingerichtet wird.


Was will ich herausfinden?

Mich interessieren in diesem Forschungsvorhaben nur am Rande gesellschaftliche Prozesse der Institutionalisierung und Entwicklung religiöser Organisationen oder politische Diskurse um Integration und Sicherheit, die sich allesamt um das Thema „religiöse Pluralität“ ranken.
Mir geht es in erster Linie um die konkreten strukturellen Bedingungen sozialer Situationen, in denen Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen zusammenkommen. Dabei steht hier der „Raum“ als abstrakte Vorstellung, als in der Interaktion entstehendes Gefüge sowie in konkret materieller Form im Vordergrund.
Wo liegen die Zusammenhänge von räumlichen Strukturen und Handlungen? Inwiefern ist eine interreligiöse Begegnung im Rathaus anders, als in einer Kunsthalle?
Das Forschungsinteresse besteht darin, das Wechselverhältnis von Raum und interreligiöser Interaktion näher zu bestimmen.


Forschungsfrage

Als leitende Forschungsfrage für diese Untersuchung hat sich auf Grundlage der Überlegungen folgende herausgefiltert: 

 Auf welche Weise werden interreligiöse Interaktionen räumlich strukturiert und wie wirken sie auf die Veranstaltungsorte ein bzw. inwiefern tragen sie zur Schaffung von Räumen bei? 


Wozu die ganze Arbeit?

Die Verbindung und Wechselwirkung von Dialograum und interreligiöser Interaktion scheint systematisch bislang wenig bis gar nicht beachtet worden zu sein. Diese Forschungslücke zu schließen wird ein Hauptanliegen dieser Untersuchung sein. Die vorliegende Forschungsarbeit zielt auf eine dichte Beschreibung interreligiöser Interaktion mit dem Fokus auf Raum, Rahmen und religionsästhetischen Aspekten der Interaktion und darüber hinaus gehende theoretische Aussagen über das Wechselspiel dieser Elemente im Rahmen interreligiöser Interaktion. Mit ihr soll ein Beitrag zur empirischen Erforschung interreligiösen Dialogs in unserer Gesellschaft geleistet werden. Nicht zuletzt können wertvolle Informationen für eine gezieltere Planung interreligiöser Aktivitäten gewonnen werden, die auch eine Orientierungshilfe für die Akteure des interreligiösen Dialogs bieten.